21.07.2022

Stress und Belastungen mit Mitarbeiterdialogen vorbeugen

Interview mit Rebekka Handrup


Als studierte Wirtschaftspsychologin mit jeder Menge Projektmanagementerfahrung beschäftigt sich Rebekka Handrup schon seit einigen Jahren intensiv mit dem individuellen Wohlbefinden von Mitarbeitenden innerhalb von Unternehmen. Die Personalreferentin, die seit Mai 2022 zum OptiTime-Team gehört, hat eine klare Mission: „Ich möchte die Welt ein Stück besser machen, indem ich Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung begleite.“ Im Interview erklärt die Münsterländerin, was ihr wichtig ist und warum sie sich insbesondere mit dem Thema „Stress“ auseinandersetzt.

Von der Unternehmensberaterin zur Personalreferentin: Wie genau passt das zusammen?

Nach meinem Bachelor in Wirtschaftsingenieurwesen habe ich einige Jahre in einer Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Energiemanagement gearbeitet. In der Beratung mit den Kunden habe ich festgestellt, dass ich nach den Gesprächen nicht die Energiezahlen im Kopf hatte, sondern mich immer mehr dafür interessiert habe, wie es dem Kunden selbst geht, was ihn beschäftigt, wie das Betriebsklima und die Unternehmenskultur sind. Deshalb habe ich anschließend Wirtschaftspsychologie an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management studiert und beim Caritasverband Coesfeld gearbeitet – ehe ich im Mai 2022 als Personalreferentin bei OptiTime gestartet bin.

Welche Rolle spielen Mitarbeitende innerhalb eines Unternehmens?

Sie sind das wertvollste Gut einer Firma. Von ihnen hängt in großem Maße der Erfolg und damit auch der Fortbestand des Unternehmens ab. Umso wichtiger ist es, sich um Mitarbeitende zu kümmern und sie auch mit ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen zu sehen. Deshalb ist es wichtig mit den eignen Mitarbeitenden regelmäßig im Austausch zu sein, sich gegenseitig Feedback zu geben und ihnen und ihrer Arbeit auch echte Wertschätzung entgegenzubringen. 

Warum ist das „Miteinander sprechen“ so wichtig? 

Zum einen ist es Wertschätzung. Als Mitarbeiter:in merkt man so, dass man mehr ist als eine Nummer. Das verbessert auch das Vertrauensverhältnis. Im besten Fall wird man durch solche Ge-spräche auch besser eingebunden in das Unternehmen. Zum anderen erkennt man als Unternehmen, was die Leute beschäftigt. Was läuft vielleicht nicht, wo gibt es Optimierungsbedarf und was kann einfach und schnell geändert werden. Und vor allem können durchs Sprechen mögliche Warnsignale bzgl. Druck bzw. Stress erkannt werden. Und dies ist eine wichtige Erkenntnis, wenn es um die Zufriedenheit und die Gesundheit der Belegschaft geht.  

Ist Stress denn gut identifizierbar?

Das ist leider nicht so einfach. Was Stress so kompliziert macht, ist die Tatsache, dass er sehr subjektiv wahrgenommen wird. Was für den einen eine willkommene Herausforderung ist, ist für den anderen vielleicht schon eine deutliche Überforderung. Deshalb ist es auch so schwierig, das Thema zu greifen. Zudem kann es unglaublich schwer sein sich eventuell einzugestehen, dass der Stress mich überfordert. Da wir uns immer noch in einer Leistungsgesellschaft befinden, habe ich grundsätzlich den Eindruck, dass viele Unternehmen noch immer meinen: ein gewisses Stresslevel muss sein! 

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels könnte sich diese Einstellung für Unternehmen als nachteilig herausstellen …

Absolut! Vor allem durch den Fachkräftemangel müssen sich Unternehmen intensiver mit ihrem Personal auseinandersetzen, es gut versorgen, ein angenehmes Betriebsklima schaffen und es individuell "fördern und fordern“. Denn sie wissen: Kündigungen können sie sich eigentlich gar nicht mehr leisten. Weil es auf dem Arbeitsmarkt schlichtweg immer weniger Alternativen gibt.

Welchen Belastungen ist man in der Baubranche insbesondere ausgesetzt?

Das ist natürlich auch sehr individuell. Aber hier kommen viele Aspekte wie Lärm, körperliche Belastungen, Hitze aber auch Faktoren wie Termindruck zusammen. Ob das Arbeiten an schweren Geräten, Zeit- und Termindruck bei der Disposition, laute Geräuschkulissen im Büro: Das alles kann zu Stresssituationen führen. Aber auch veränderte Rollen der Mitarbeitenden kann zur Belastung werden – wenn z. B. jemand zur Vorgesetzen befördert wurde und nun vor ganz neuen Herausforderungen steht. Genauso wie Probleme mit Kolleg:innen, fehlende Unterstützung des Arbeitgebers oder private Probleme. Und Zeit- und Termindruck waren in der Baubranche ja sowieso schon immer an der Tagesordnung.

Spielt die aktuell besondere Lage – Corona, Krieg, Inflation – ebenfalls eine Rolle?

Leider ja. Derzeit mangelt es an Rohstoffen und Material, weshalb viele Kunden unzufrieden sind. Das wiederum führt zu unzufriedenen Beschäftigten, weil Baustellen nicht abgeschlossen werden können. Und durch das nach wie vor unglaublich hohe Arbeitspensum können neue Mitarbeitende mitunter nicht richtig eingearbeitet werden oder Teammaßnahmen nicht umgesetzt werden. Anders ausgedrückt: Es fehlt oft die Zeit, um auf sich und das eigene Team zu achten.

Wie können Unternehmen dennoch für eine Kehrtwende sorgen?

Vor allem müssen sie mit Mitarbeitenden regelmäßig ins Gespräch kommen, sie nach ihrem Befinden und auch nach ihrem Stresserleben fragen. Sie müssen eine Kultur schaffen, in der man auch mal sagen kann, wenn etwas zu viel wird. Hierfür braucht es Anlaufstellen, an die sich das Personal wenden kann – im besten Fall eine dritte Person, damit man in erster Instanz nicht zum direkten Vorgesetzten gehen muss. Denn da ist die Barriere noch immer sehr hoch, sich auch tatsächlich zu melden.

Welche Skills oder Eigenschaften sollte eine solche „Anlaufstelle“ mitbringen?

Sie sollte Erfahrung im Bereich Coaching, ein Psychologiestudium abgeschlossen und/oder etwas von (systemischer) Beratung verstehen. Für die Mitarbeitenden selbst ist es essenziell, dass sie wissen, dass sie sich in einem geschützten Rahmen bewegen. Wenn das intern nicht möglich ist, kann auch auf externe Ansprechpartner zurückgegriffen werden. Gemeinsam mit der "Anlaufstelle" kann dann der Mitarbeiter für sich definieren welche Maßnahmen bzw. Veränderungen notwendig sind, damit sich die Situation für den Mitarbeitenden verbessert. Hier kann auch überlegt werden, wie Vorgesetzte mit ins Boot genommen werden. 

Wie gut sind die Unternehmen in diesem Bereich heute aufgestellt? 

Einige machen schon einen echt guten Job. Es gibt aber auch noch viele Unternehmen, die nicht wirklich aktiv sind und hier noch Nachholbedarf haben. Was wichtig ist: Themen wie Stress und Belastung müssen – auch in der Baubranche – enttabuisiert werden. Es muss offen drüber gesprochen werden damit Betroffene nicht das Gefühl haben, an etwas ganz Außergewöhnlichem zu leiden. Denn bei psychischen Belastungen gilt: Je eher darauf eingegangen wird, desto besser. Leider werden Anzeichen von Burn-outs und ähnliche Erkrankungen aber häufig nicht gesehen oder noch immer nicht ernst genommen – und das in allen Branchen. 

Wie können Unternehmen aus deiner Sicht am einfachsten mit der Stressprävention starten?

Es ist immer gut, den Menschen hinter dem Mitarbeitenden zu sehen – denn es geht nicht nur um die Leistung. Deshalb ist es wichtig, Anlaufstellen für vertrauliche Gespräche zu schaffen und auch regelmäßig sich mit seinen eigenen Mitarbeitenden auszutauschen. Ein wichtiger Punkt spielt auch die Entwicklungsmaßnahmen der Mitarbeitenden. Wenn zum Beispiel eine Rollenveränderung für den Mitarbeitenden zur Führungsposition ansteht, ist es wichtig die Personen im Vorfeld entsprechen intern und extern zu schulen und einzuarbeiten. So wird die Person gezielt auf die neuen Aufgaben vorbereitet. Zusätzlich können Maßnahmen zur Gesundheitsprävention helfen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die auch schon in Unternehmen zum Einsatz kommen: Home-Office, flexible Arbeitszeiten, Massagen, Meditationsangebote, Fitnessstudiomitgliedschaften, Sportangebote, gesunde Mahlzeiten und Snacks oder beispielsweise die Möglichkeit eines Fahrrad-Leasings. Solche Angebote tragen maßgeblich dazu bei, dass das Stresslevel gesenkt und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden nachhaltig gestärkt wird. Das in Kombination mit ehrlichem Austausch bringt echten Mehrwert. Für alle!

Vielen Dank für das Gespräch, Rebekka!
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