01.02.2024

"Better Work Initiative" - Nachhaltigkeit in der Baubranche

Interview mit Wolfgang Lübberding (VDBUM)

Gute Ideen für mehr Nachhaltigkeit in der Baubranche

Was müssen Unternehmen jetzt tun, um für die Zukunft nachhaltig aufgestellt zu sein? Wir haben mit Wolfgang Lübberding, Prokurist des Verbands der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik e. V. (VDBUM) sowie Chefredakteur des Verbandsmagazins VDBUM-INFO, gesprochen. Seine Antwort: Es gibt viele Hebel, mit denen Unternehmer die Weichen in Richtung „Nachhaltige Zukunft“ stellen können. Im Interview gibt er Beispiele, die zeigen, wie es gehen kann.

Herr Lübberding, wie kann die Baubranche wachsende Anforderungen an die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit erfüllen? 
Da gibt es viele Möglichkeiten. Nachhaltigkeit spielt bei jedem Projekt eine große Rolle und genauso groß sind oft die Möglichkeiten für Unternehmen, sich hier zu verbessern. Da fallen mir vor allem die fünf großen Themen ein: Mitarbeitende, Maschineneinsatz, Material, Management und Motivation. 

Fangen wir bei den Mitarbeitenden an. 
Mitarbeitende sind gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein großes Thema - da tut sich viel. Es wird heute deutlich mehr auf Sicherheit geachtet, auf Schulungen und Arbeitszeitmodelle werden optimiert. Wer gute Leute kriegen und halten will, muss heute einfach mehr tun, für die Mitarbeitergesundheit zum Beispiel. Da kann man viel Unterstützung bieten, Wohlfühlklima schaffen, Zusatzleistungen, wie eine Zahn-Zusatzversicherung anbieten. Es muss nicht gleich das neue iPhone für den Azubi sein. 

Wie kann man für Mitarbeitende außerdem noch attraktiv bleiben?
Zum Beispiel über konkrete Beteiligung. Ein mittelständisches Unternehmen aus dem Münsterland hat beispielweise den gesamten Maschinenpark outgesourct. Dazu wurde eine eigene Gesellschaft für die Maschinen gegründet, an der sich alle Mitarbeitenden direkt beteiligen können. Dadurch wird anders mit den Maschinen umgegangen. Alle haben ein Auge drauf, weil es auch um das Eigene geht. Das sorgt nicht nur für eine längere Lebensdauer der Maschinen, es hat auch die Produktivität deutlich gesteigert. Das ist gut für das Unternehmen, für die Umwelt und für die Mitarbeitenden.

Wie kann ich Mitarbeiter noch motivieren, nachhaltiger zu arbeiten? 
Bleiben wir bei den Maschinen. Stichwort: Nutzfahrzeuge. Speditionen zahlen teilweise einen Bonus, wenn gewisse Verbrauchswerte nicht überschritten werden. Dadurch wird sparsamer gefahren und viel Geld und Kraftstoff eingespart. Oft muss man Mitarbeiter dafür auch nur sensibilisieren. Früher wurden Bagger in der Mittagspause häufig laufen gelassen. Die Betriebsstunden und der Sprit, da kam einiges zusammen. Wenn man sich das überlegt: jede Mittagspause, da kommen pro Jahr ca. 200 Stunden zusammen! Das sind unnötige Verbräuche und Emissionen und zusätzlich eine Wertminderung der Maschinen. Aber da hat sich in den letzten Jahren zum Glück viel getan!

Sie sprechen die Maschinen an. Wie kann man deren Einsatz optimieren? 
Auch da ist viel passiert. Einerseits braucht es oft einen immensen Maschineneinsatz, andererseits sollen Kraftstoffe und Emissionen reduziert werden. Das geht durch den bewussten, sparsamen Einsatz, den ich eben ansprach. Das geht auch durch einen effizienten Einsatz von Gerät, Maschine und MitarbeiterIn. Es kommt immer wieder vor, dass Geräte einfach ungenutzt auf Baustellen herumstehen, während an anderen Orten dringender Bedarf herrscht. Hier kann man mit digitalen Verwaltungslösungen dafür sorgen, dass das eben nicht passiert. So lassen sich Neuanschaffungen und unnötiger Unmut vermeiden. Und: In Zukunft werden Elektrofahrzeuge eine immer wichtigere Rolle spielen. Das macht nicht nur die Arbeit „sauberer“, denn auch die Lärmemissionen werden dadurch erheblich reduziert.

Kommen wir zum Thema Management. 
Die Frage ist hier „Wie kann ich den Betrieb neu und im besten Fall digital organisieren?“, das hört man oft und das ist eine ganz wichtige Stellschraube für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit. Teilweise werden da Dinge gemietet, obwohl das Gerät vorhanden ist. Mit einer Lösung wie „Track and Tracing“ passiert das nicht. Es gibt Studien, die besagen, dass mehr als ein Drittel der Arbeitszeit von Mitarbeitenden für das Suchen auf der Baustelle verwendet wird. Das können wir uns heutzutage eigentlich gar nicht mehr leisten. Ressourcen digital besser zu managen ist also ein Schlüssel zu deutlich mehr Effizienz.

Warum nutzen dann nicht schon mehr Unternehmen solche Lösungen? 
Das ist gerade für mittelständische Unternehmen mit mehreren Hundert Mitarbeitenden eine große Herausforderung, das alles erst mal zu erfassen. Vor diesem Schritt scheuen sich viele. Aber: Den Satz „Hör mir auf mit dem digitalen Kram“ hört man zum Glück immer seltener. Stattdessen kommen mit jüngeren Fachkräften immer mehr Kolleginnen und Kollegen in die Betriebe, die digitale Tools schon als Standard ansehen und so auch arbeiten wollen. Es tut sich also einiges. 

Welche Tipps haben sie denn für die Umsetzung zur Digitalisierung? 
Wichtig ist, mit einem Anbieter zusammen zu arbeiten, der auf die individuellen Bedürfnisse des Unternehmers eingeht. Auch sollte man nicht die letzten Euro sparen, wenn es dann in der Umsetzung hapert. Da lieber auf erfahrene Partner setzen, die sich in ihrer Branche bereits auskennen. Und, ganz wichtig: eigene Leute heranziehen. Mitarbeiter sensibilisieren, mit einbinden, die Vorteile klar kommunizieren und gemeinsam die Digitalisierung vorantreiben. Das hilft auch bei Widerständen. Die transparenten Ergebnisse sind das beste Argument, das man haben kann: Jeder sieht sofort, was läuft und was nicht läuft, wo gespart wird und wo Handlungsbedarf ist. So können Verbesserungen schneller greifen. 

Da spielt Motivation sicher eine große Rolle. 
Die Motivation wächst mit den erkennbaren Erfolgen. Das gilt auch in anderen Bereichen. Mir fällt da als Beispiel die Public Private Partnership (PPP) beim A-Modell der A1 von Hamburg bis Bremen ein. Da ging es auch um die langfristige Erhaltung über 30 Jahre. Dort wurde vertraglich geregelt, dass die Firma Bunte langfristig Verantwortung trägt und alles zahlt. So entstehen ganz andere Qualitätsansprüche, weil das Unternehmen ein hohes Eigeninteresse daran hat, die Arbeiten bestmöglich auszuführen. Was länger hält, macht weniger Arbeit, kostet weniger Reparaturen und Aufwand. Das ist langfristig gedacht und eben sehr nachhaltig. 

Das Thema Materialrecycling bleibt. Wie ist da der Stand? 
Rohstoffe sind endlich und die Baubranche produziert vom Volumen her besonders viel Abfall. Das ist bekannt. Mit Recycling lässt sich da vieles nachhaltiger gestalten, zum Beispiel bei der Wiederverwendung von Metallen. Hochschulen sind bereits dabei, Beton wiederzuverwenden. Die Stahlbetondecke wird aufgetrennt in Sand und Zement und als Füllstoff wiederverwendet. Dass mehr Recyclingbaustoffe genutzt werden, verlangt auch die neue Ersatzbaustoffverordnung, die seit August 2023 gilt. 

Geben Sie uns noch einen Ausblick auf die nächsten zehn bis zwanzig Jahre? 
Zum einen müssen wir auf allen Ebenen Ressourcen sparen und sinnvoll einsetzen. Das muss das Ziel sein. Zum anderen müssen wir auf den Mangel an Mitarbeitenden reagieren. D.h. wir müssen unsere Abläufe stärker automatisieren. Maschinen müssen autonomer laufen, da ist technisch schon vieles machbar. Da sind noch einige Hürden zu nehmen, aber da wird es eine interessante Entwicklung geben. Es bleibt spannend …

Herr Lübberding, wir danken Ihnen für das Gespräch.