04.08.2022

Stress vermeiden

Praxistipps von Holger Püchner, Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG & Monja Meier, EASI Control GmbH

Ob Zeitdruck, Perfektionismus, private Belastungen oder gesundheitliche Probleme – die Gründe für Stress sind äußerst vielfältig. Genauso vielfältig sind aber auch die Maßnahmen und Faktoren, die der Entwicklung von Stress entgegenwirken können. Um den Zusammenhang zu verstehen, kann man sich das Ganze am besten wie eine Art Waage vorstellen. Auf der einen Seite die Belastungen, auf der anderen die positiven Energiequellen. Sind die Belastungen größer als die sogenannten Ressourcen, kommt es zu einem negativen Ungleichgewicht. Ein Umstand, der unbedingt vermieden werden sollte. 

Doch welche Rolle spielt das Thema Stress in der Baubranche wirklich? Was sind die Besonderheiten? Und was können Unternehmen konkret tun, um ihre Mitarbeitenden bestmöglich vor psychischen Erkrankungen zu schützen? Dazu haben wir Holger Püchner, Leiter der Informationstechnologie (CIO) bei Gottlob Brodbeck GmbH & Co. KG, und Monja Meier, Geschäftsführerin der EASI Control GmbH befragt. 

Dass in der Baubranche Stress vielerorts an der Tagesordnung ist, ist für Monja Meier und Holger Püchner unbestritten. Püchner glaubt, dass dies ein Stück weit historische Gründe hat. „Die traditionelle Denke ist: Der Bauleiter muss von 7:00 bis 17:00 Uhr zur Verfügung stehen.“ Dieses Bild scheint sich über die Jahrzehnte so verfestigt zu haben, dass das Stresslevel heutzutage mitunter enorm ist – und zunehmend zu Burn-outs oder anderen Erkrankungen führt.  
 
Deshalb, findet Püchner, sei es an der Zeit, dass sich Unternehmen noch intensiver mit psychischen Belastungen auseinandersetzen. „Denn andernfalls haben die Unternehmen über kurz oder lang einfach keine Mitarbeitenden mehr“, schlussfolgert er. Meier, die mit der EASI Control GmbH den Arbeitsschutz digitalisiert, sieht ebenfalls den Fachkräftemangel als Auslöser dafür, dass Arbeitgeber dem Thema mehr und mehr Beachtung schenken. „Es wird immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden. Deswegen müssen die Unternehmen die vorhandenen besser schützen.“ Denn nicht wenige sehen sich einem immer größer werdenden Druck ausgesetzt. „Umso wichtiger ist es, den Austausch mit der Belegschaft zu suchen, Warnzeichen zu erkennen und darauf zu reagieren. Denn auch die Mitarbeitenden wissen immer häufiger um die Risiken und Auswirkungen von Stress und nehmen mögliche Überbelastungen seltener hin.“  
 
Einer, den schon mal ein Burn-out erwischt hat, ist Püchner selbst. Als es zu viel wurde, gab es für den heutigen IT-Leiter eine sechswöchige Auszeit. Sein Ratschlag: frühzeitig auf den eigenen Körper hören. „Frühes Erkennen ist wichtig. Auch wenn man die Überbelastung merkt, will man sie eigentlich nicht wahrhaben.“ Die Folge: „Man geht oft den Weg zu weit“ – bis schließlich gar nichts mehr geht. „Der Therapeut hat mich sofort aus dem Verkehr gezogen. Zum Glück. „Denn so stand ich nach den eineinhalb Monaten wieder voll im Leben“, erinnert sich Püchner an diese Zeit zurück. An eine Zeit, die zugleich aber auch für eine positive Veränderung in seinem Leben gesorgt hat: „Alle zwei Jahre nehme ich bewusst einen sechswöchigen Blocker für eine Auszeit und unternehme dann Dinge, um abschalten zu können und den Akku aufzuladen.“ 
 
Doch was können Arbeitgeber tun, um frühzeitig für eine bestmögliche Prävention zu sorgen? Digitalisierungsspezialistin Meier hat konkrete Vorstellungen: „Wir brauchen Tools, die Abläufe vereinfachen. Wiederkehrende Aufgaben wie Wochenberichte oder Stundenzettel, die immer wieder den gleichen Prozess erfordern, müssen in ihrer Komplexität aufgebrochen werden. Sprich: Die Maßnahmen müssen so weit wie möglich automatisiert werden.“ Und da gibt es enorm viele und mitunter sehr einfach implementierbare Maßnahmen. Laut Meier seien viele Unternehmen aber noch nicht bereit, in die entsprechenden Technologien zu investieren. „Sie haben vor allem Scheu vor den Kosten und denken, dass die Mitarbeitenden die digitalen Tools nicht nutzen würden. Aber: Sie müssen sehen, dass das Personal unterstützt wird, dass die Arbeit vereinfacht wird. Denn letztendlich geht es doch darum, das Stresslevel zu reduzieren.“
 
Auch Püchner hat wertvolle Tipps parat, die vom Arbeitgeber beherzigt werden sollten, um die Beschäftigten zu schützen. Sein Credo: Den Mitarbeitenden mehr Flexibilität einräumen, sodass z. B. kleine, private Verpflichtungen leichter erledigt werden können. Zudem liegt ihm der Austausch unter Kolleginnen und Kollegen besonders am Herzen. „Gerade die ungezwungenen Gespräche haben eine enorme Wirkung. Das Zusammensitzen, Quatschen und Infos austauschen tut nicht nur gut und schafft ein positives Verhältnis. Es sorgt auch dafür, dass sich die Kolleginnen und Kollegen in bestimmten Situationen einfach nachsichtiger verhalten. Zum Beispiel dann, wenn sie wissen, dass man gerade viel um die Ohren hat und bestimmte Aufgaben nur schwer übernehmen kann.“ 

Und genau so eine Unterstützung und das positive Verhältnis untereinander kann schon dazu beitragen, dass die „Stress-Waage“ nicht ins Negative ausschlägt, sondern im Gleichgewicht bleibt. Neben der Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte sind Gestaltungsspielraum für die eigenen Arbeitsabläufe, Beteiligung an Entscheidungsprozessen, sowie Anerkennung guter Arbeit und wertschätzendes Feedback Faktoren, die das Stresslevel signifikant reduzieren können. Alles Maßnahmen, die ohne größere Investitionen relativ schnell umgesetzt werden können. Wenn dann noch gewisse Prozesse automatisiert werden, hat man schon eine gute Grundlage für mehr Gesundheit, mehr Wohlbefinden, mehr Zufriedenheit und damit auch für eine loyalere Belegschaft geschaffen.