18.01.2024

"Better Work Initiative" - Nachhaltigkeit in der Baubranche

Interview mit Thomas Fröhlich (Max Wild)

Von der Idee zum Gamechanger

Thomas Fröhlich ist Fachgebietsleiter Nachhaltigkeits-, Energie- und Umweltmanagement bei der Max Wild GmbH. Das Familienunternehmen mit Sitz in Berkheim, Baden-Württemberg, ist in der Baubranche auch für seinen Mudcleaner Truck bekannt: Das mobile System bietet eine innovative Lösung zum Recycling des im HDD-Verfahren (Horizontal Directional Drilling) anfallenden Bohrschlamms. Wir haben mit Thomas Fröhlich über ökologische und ökonomische Chancen für die Baubranche gesprochen, die oft aus alltäglichen Herausforderungen entstehen. 

Wie nachhaltig ist Max Wild, Herr Fröhlich?
Die Geschäftsführung hat frühzeitig begonnen das Unternehmen entsprechend auszurichten und das Geschäftsmodell nachhaltig zu transformieren. 
2005 haben wir die erste Photovoltaikanlage für die Firma installieren lassen, als das noch eher unüblich war. 2006 hatten wir dann schon unser erstes E-Fahrzeug. Heute betreibt das Unternehmen 15 Photovoltaikanlagen, mehrere Batteriespeicher und einen E-Fahrzeugpool.

Wie kam es zu der doch recht frühen Umstellung? 
Vielleicht, weil wir ein Familienunternehmen sind. Da schaut man auf solche Dinge noch mal anders drauf. Eine lebenswerte Erde für kommende Generationen durch die entsprechende Infrastruktur zu schaffen, zum Beispiel, das ist Teil unserer Unternehmensphilosophie bei Max Wild. Unsere Geschäftsführung ist überzeugt: So wie wir heute handeln, werden die Generationen morgen leben - Zitat des Geschäftsführer Christian Wild.

Konnten Sie auch andere Unternehmen davon überzeugen?
Wir sind immer offen für neue Partnerschaften mit anderen Firmen in dem Bereich. Da ist unsere Geschäftsführung sehr aufgeschlossen. Wir kooperieren auf vielen Ebenen mit Partnern und Politik und unser Ziel ist es nicht, Dinge unbedingt allein voranzutreiben. Es geht uns immer um die Sache. 

Wie entstehen denn Innovationen wie der Mudcleaner? 
Das ist entstanden dadurch, dass wir selbst Leitungen im Horizontalbohrverfahren („Horizontal Directional Drilling oder HDD-Verfahren“, Anm. d. Red.) verlegen, für Öl, Gas, Wasser, Strom oder Telekommunikation. Für die Schmierung und Kühlung des Bohrkopfs brauchen wir Bentonit, das beim Bohren selbst entsteht, Bohrschlamm, der offiziell Abfall ist. Man darf ihn ja nach Aufbereitung nochmal verwenden. Genau das machen wir ja. Daher besser: stattdessen muss er deponiert werden. Dazu darf er aber nicht mehr flüssig sein. Wir hatten also die ganzen Fahrten aus dem Ausland und die ganze Energie fürs Deponieren, das war ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll. 

So entstand die Idee, den Bohrschlamm zu recyceln. 
Richtig, mit dem Mudcleaner können wir die Bohrspülung direkt auf der Baustelle recyceln. Wir reduzieren die zu entsorgende Menge und den Wasserverbrauch deutlich. Fahrten zur Beschaffung von frischem Wasser oder zur Entsorgung des Bohrschlamms fallen weg. Rund 90 % Frischwasser und 90 % Abfälle können wir auf diese Weise sparen. Bei dem Volumen auf der Baustelle sind das mehrere tausend Liter Wasser, tonnenweise Bentonit und CO2. Wir brauchen dafür nur ein Fahrzeug auf der Baustelle. 

Ökologisch sinnvoll, auch ökonomisch? 
Das rechnet sich auf jeden Fall, allein durch die Einsparungen. Daher bieten wir das Ganze nicht nur als Dienstleistung an, wir verkaufen unseren Mudcleaner mittlerweile international. Auch Preise haben wir damit gewonnen, wie zum Beispiel den Umwelttechnikpreis des Landes Baden-Württemberg 2023 in der Kategorie „Emissionsminderung, Aufbereitung und Abtrennung“. 

Kann man solche Ideen planen? 
Die Idee zum Mudcleaner ist direkt aus unserem Arbeitsalltag entstanden. Oft liegt etwas nahe und dann entsteht da plötzlich Großes draus. Man kann aber auch nachhelfen. Wir haben zum Beispiel eine Art „Ideenvorschlagswesen für Innovationen“. Wenn Mitarbeitende eine Idee haben, die die Umweltleistung der Firma verbessert, erhalten Sie eine Prämie. Seien es Ideen zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, Kosteneinsparungen, Effizienzsteigerungen oder einfache Umweltthemen, wie z.B. Recyclingpapier oder Fair-Trade-Kaffee - am Ende zählt alles, was einen positiven Effekt hat. Da gibt es noch viel Potenzial. 

Ein eher großes Thema ist Recycling, wie Sie sagen. Welche Ideen gibt es da noch? 
Wir haben neben dem Mudcleaner unser Recyclingzentrum in Eichenberg mit Bodenwaschanlage. Diese Anlage ist in Deutschland einmalig. Auch dafür haben wir einige Preise bekommen. Mit der Anlage können wir zum Beispiel Gleisschotter aufbereiten, was an sich sehr aufwändig und kompliziert ist. Wir nutzen Regenwasser und Klärwasser, kein Frischwasser. Die Energie kommt aus eigener Produktion. Über 150.000 Tonnen jährlich bereiten wir so auf, gesiebt, gewaschen, klassifiziert. Da kommen am Ende unterschiedliche Recyclingprodukte bei raus. 

Warum ist Recycling so ein großes Thema geworden? 
Vor allem wegen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Das gibt seit 2015 vor, dass Materialien recycelt werden müssen. Konnte nur nicht so eingehalten werden wie gefordert. Mittlerweile aber ist das Thema so prägnant in der gesamten Wirtschaft, das wird jetzt langsam nach vorne geholt. Da spielt die Vergabeordnung mit rein. Es ist immer noch so, dass, dass in den meisten Fällen der Preis entscheidet. Das ist dann ein Problem, wenn innovative Bau- und Recyclingverfahren dadurch behindert werden. Das muss sich ändern. 

Wie kann Nachhaltigkeit günstiger werden? 
Machen wir uns nichts vor: Nachhaltigkeit kostet Geld. Neue Maschinen, die weniger Emissionen verursachen, kosten Geld. Das ist die größte Herausforderung! Wenn der CO2-Ausstoß oder andere Umweltstandards zu einem Vergabefaktor werden, dann wird die Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit beschleunigt werden. Auch Sanktionen würden dabei helfen, das Kreislaufwirtschaftsgesetz durchzusetzen. Oder Zuschüsse für nachhaltige Projekte oder Zertifizierungen für nachhaltiges Bauen. Man kann doch alles zertifizieren lassen, vom eingesetzten Baustoff, über die Baustelle, bis hin zum Bauprojekt oder den Abbruch. Aktuell spielen diese Zertifizierungen leider nur im Hochbau eine Rolle. 

Offenbar haben Sie bereits ein paar Ideen für den Tiefbau.
Schauen Sie, welche Verfahren im Tiefbau eingesetzt werden. Da gibt es schon jede Menge innovative Techniken, zum Beispiel durch Berstlining oder Bohrungen anstatt offene Bauweisen, mit denen weniger Volumen transportiert werden muss. Aktuell kommen solche Verfahren vor allem dann zum Tragen, wenn sie vorgeschrieben sind. Aus unserer Sicht müssten aber solche schonenden Verfahren viel öfter zur Anwendung kommen, um unnötige Arbeit und Emissionen zu verringern. Aber auch Beratungsleistungen zur Bodenverbesserung oder zum Einsatz von Recyclingbaustoffen sollten aus meiner Sicht eine größere Rolle spielen. 

Woran scheitern solche Ideen dann?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der wichtigste ist, dass es die Ausschreibungen nicht hergeben. Der Auftraggeber bzw. dessen Ingenieurbüro stellen uns in der Regel die Anforderungen. Wenn das Ingenieurbüro die innovativen Verfahren nicht kennt, werden diese nicht angewendet. Ein weiterer wichtiger Grund ist die zunehmende Bürokratie in allen Bereichen, von der wir leider auch betroffen sind. Das macht das Ganze immer recht aufwändig und dann kann es sein, dass sich das Vorhaben nicht mehr rechnet.

Was stimmt sie optimistisch? 
Die Deponievolumina nehmen ab und die Deponiekosten steigen. Zudem nimmt die Verfügbarkeit von Ressourcen naturgemäß ab, das ist nicht neu. Damit werden sich umweltfreundliche Bauprozesse für Kunden immer schneller rechnen. Das hätte man mit Nachhaltigkeitskriterien im Vergabeverfahren alles auch schon früher haben können. Aber das Schonen von Primärressourcen wird immer wichtiger, weil sie knapper werden und immer schwieriger abzubauen sind. Die Schutzbestimmungen, wie Renaturierung im Kiesabbau etc., nehmen zu. Das schreit förmlich nach neuen Lösungen. Und das Gute: Viele gute Lösungen existieren bereits. Viele sind technologisch schon sehr weit ausgereift. Wir müssen sie einfach nur nutzen!

Herr Fröhlich, wir danken Ihnen für das Gespräch.