04.01.2024

"Better Work Initiative" - Nachhaltigkeit in der Baubranche

Interview mit Dirk Stauf (BVMB)

Arbeitszeitgesetz als Chance für nachhaltigeres Wirtschaften?

Dirk Stauf ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) in Bonn. Er weiß: Neben der Konjunkturabkühlung im Wohnungsbau treibt viele Unternehmen aktuell das Thema Arbeitszeitgesetz um. Dabei sieht er im neuen Gesetz eine echte Chance, denn moderne Arbeitszeitmodelle können sich langfristig positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit sowie -bindung auswirken und tragen somit zu einem nachhaltigen Wirtschaften bei. Wir haben mit Dirk Stauf über die Herausforderungen und die Potenziale des neuen Arbeitszeitgesetzes gesprochen. 

Herr Stauf, worum geht es im neuen Arbeitszeitgesetz? 
Das Arbeitszeitgesetz regelt die tägliche Höchstarbeitszeit und Pausenzeiten, um Arbeitnehmer vor Überlastung zu schützen. Was neu ist, sind die Anforderungen aus der europäischen Rechtsprechung. Danach sollen Arbeitgeber zu einer objektiven und verlässlichen Arbeitszeiterfassung verpflichtet werden. Unternehmen brauchen also ein vernünftiges System, mit dem die Einhaltung der Arbeitszeiten auf Dauer sichergestellt wird, für alle nachvollziehbar und nicht willkürlich. Da ist jetzt aber im Moment noch der Gesetzgeber auf nationaler Ebene gefordert, das neu zu formulieren. 

Wie ist der aktuelle Stand der Gesetzgebung? 
Anfang des Jahres wurde ein Entwurf zur Anpassung des Arbeitszeitgesetzes erarbeitet, zu dem im Herbst eine Anhörung im Bundestag stattfand. Der Entwurf wird jetzt weiter überarbeitet werden. Der Arbeitsminister hat starkes Interesse an einer zügigen Umsetzung. Allerdings gibt es nach wie vor Gegenwind, so dass frühestens 2024 mit einer Umsetzung zu rechnen ist. 

Was gilt aktuell bei der Arbeitszeiterfassung? 
Bereits jetzt gilt: Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit erfassen. Dabei kann die Arbeitszeiterfassung auch auf den Arbeitnehmer, z.B. im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit, delegiert werden. Die Arbeitszeiterfassung ist also Pflicht und soll zukünftig in digitaler Form erfolgen. Kleinbetriebe können die Arbeitszeiten auch weiter in Papierform dokumentieren. 

Drohen Bußgelder bei Nichteinhaltung? 
Zurzeit sind Bußgelder bei Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften schon möglich, aber eher selten. Allerdings können sie fällig werden, wenn es zu einer Überprüfung durch die Behörden kommt. Angenommen, ein Arbeiter fällt nach 11 Stunden Arbeit vom Gerüst, dann gerät die Arbeitszeit natürlich in den Fokus. Bis zu 10 Stunden am Tag sind im Einzelfall noch erlaubt. Ist das aber ein Dauerzustand, hat der Arbeitgeber ein Problem. Tritt das Gesetz mit den Neuregelungen in Kraft, werden auch Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht mit Geldbußen sanktioniert. 

Kommen auf die Baubranche da besondere Herausforderungen zu? 
Erstmal bedeutet das Ganze natürlich mehr Dokumentationsaufwand. In vielen Branchen ist das eine schwerwiegende Umstellung, in der Baubranche ist das weniger dramatisch. Da ist die Arbeitszeiterfassung im gewerblichen Bereich schon länger geübte Praxis. Schwierig ist da eher die Abgrenzung der Graubereiche. Herausforderungen sehe ich zum Beispiel bei Schnittstellen wie der Bauleitung. Der Bauleiter ist ja eine Art Außendienstmitarbeiter. Die im Job nötige Flexibilität muss auch bei der Arbeitszeiterfassung abgebildet werden, da ist der Schmerz am größten. Was ist da alles noch Arbeitszeit? Auch die Viertelstunde abends zum schnellen Beantworten von E-Mails?

Was sollten Unternehmer jetzt tun? 
Unternehmen müssen sich jetzt richtig aufstellen, so dass die Strukturen für eine effiziente Arbeitszeiterfassung geschaffen werden. Das ist eine elementare Aufgabe der Geschäftsführung, hier ein praktikables System zu schaffen, dass individuell zum Unternehmen passt und die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Da braucht es eine Lösung, die die spezifischen Unternehmensprozesse optimal abbilden kann und möglichst wenig Aufwände verursacht. Das ist auch eine Riesenchance: Wer sich jetzt einmal richtig aufstellt, profitiert langfristig davon. 

Welche Chancen sehen Sie denn konkret? 
Man sollte nicht nur die bürokratischen Hürden sehen. Eine effiziente Arbeitszeiterfassung ist auch ein Werkzeug, um Unternehmensprozesse zu verbessern und Mitarbeiter zufriedener zu machen. So können wertvolle Ressourcen einspart werden. Die Fragen, die man sich in dem Zuge stellen sollte, sind: Wie können wir Abläufe verbessern? Wie können wir effizienter werden? Damit ist das Ganze auch ein nicht zu unterschätzendes Nachhaltigkeitsthema. 

Wie trägt digitale Zeiterfassung zu mehr Nachhaltigkeit bei? 
Viele Unternehmen sind bereits papierlos, für die ist das neue Arbeitszeitgesetz entsprechend weniger ein Thema. In unserem Verband sind die meisten da schon gut aufgestellt. Die brauchen die Dokumentation insbesondere für Aufträge im öffentlichen Bereich. Grundsätzlich schont digitale Zeiterfassung Ressourcen. Die Zeiterfassung mit einer digitalen Software ist einfacher, spart Papier und Zeit. Sie ist transparent, was wiederum Aufwände spart. Eine effizient und systematisch organisierte Arbeitszeiterfassung dient dem Arbeitsschutz mit der positiven Auswirkung, dass motivierte und gesunde Beschäftigte durch bessere Leistungsfähigkeit und geringere Ausfallzeiten den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens maßgeblich unterstützen.

Welche Folgen drohen bei Nichterfüllung der neuen Anforderungen? 
Die Arbeitszeiterfassung ist schon Pflicht. Wer sich jetzt auch mit der digitalen Zeiterfassung auseinandersetzt, ist auf der sicheren Seite. Wie kann ich meine bestehenden Dokumentationssysteme ausbauen? Was kann ich mir da aus dem gewerblichen Bereich abgucken? Welche einfache Lösung ermöglicht genau die Anwendung, die ich brauche? Wer sich diese Fragen stellt, ist auf dem richtigen Weg. Auch wir von der BVMB helfen da gerne weiter. 

Herr Stauf, vielen Dank für das Gespräch.